Fördern statt überfordern

Hausaufgaben, Schwimmkurs, Flötenunterricht, Mathe-Nachhilfe und abends schnell noch für den Vokabeltest lernen - Schulkinder haben oft ein straffes Tagesprogramm, das kaum mehr Raum zur freien Gestaltung und Erholung bietet. Kein Wunder, dass immer mehr Kinder ausbrennen und Stresssymptome zeigen.

Kinder wollen und müssen gefordert werden. Doch muss es dazu wirklich der Chinesisch-Kurs am Wochenende oder die dritte Mitgliedschaft in einem Sportverein sein? Dass Eltern heute keine Möglichkeit auslassen, um ihr Kind zu fördern, ist angesichts der hohen Anforderungen der Gesellschaft und der wachsenden Perspektivlosigkeit verständlich. Schließlich soll das Kind bestmöglich für seine Zukunft gerüstet sein und sich gegen die Konkurrenz durchsetzen können. Doch übertriebener Förderwahn blockiert Kinder eher, als dass er ihnen hilft. Denn auch wenn Kinder das beneidenswerte Talent haben, Neues aufzusaugen wie ein Schwamm, sind sie keine Maschinen. Auch sie brauchen Erholung und Freiräume, um sich zu entfalten.

 

Überforderung macht Kinder krank

Studien zufolge leidet fast jeder zweite Schüler unter Schulstress. Typische Symptome sind Kopf-, Rücken- und Bauchschmerzen, Schlafstörungen sowie Unruhe, Gereiztheit und gesteigerte Ängstlichkeit. Wenn der Stress zum Dauerzustand wird, sind Erkrankungen wie Depressionen und Burnout häufig die Folge.
Doch das richtige Maß zu finden oder gar zu akzeptieren, dass ihr Kind etwas später lesen lernt als andere Kinder, fällt Eltern heute schwer. Dabei ist die elterliche Intuition wichtiger denn je. Denn in Zeiten permanenter Reizüberflutung und steigendem Leistungsdruck müssen Eltern dafür sorgen, dass ihr Nachwuchs seine Kindheit möglichst unbeschwert ausleben kann.
Hirnforscher betonen, dass Kinder Phasen der Ruhe brauchen, um Neues zu verarbeiten und abzuspeichern. Außerdem lernen Kinder nur das effektiv, was auf bestehendem Wissen aufbaut. Eine völlig fremde Sprache zu lernen, die das Kind im Alltag gar nicht wiederfindet, ist deshalb nicht nur mühsam und frustrierend, sondern auch wenig nachhaltig.
Eine weitere wichtige Voraussetzung, um zu lernen, ist das eigene Interesse. Nichts ist ein stärkerer Motor für das Aneignen von Neuem als die eigene Neugier. So können Kinder unzählige Fakten über ihr Lieblingstier referieren, die Vokabeln für den Englischtest wollen aber selbst nach Stunden nicht in den Kopf. Deshalb sollten Eltern sich an den natürlichen Talenten und Neigungen ihres Kindes orientieren und diese gezielt unterstützen.

 

Raum zur Selbstentfaltung

Die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen, sollten Kinder immer haben. Das kann die spielerische Mithilfe beim Kochen sein oder das Basteln eines Spielzeuges gemeinsam mit Papa und Mama. Durch Spielen erlernen Kinder geistige und soziale Fähigkeiten, die für ihr späteres Leben grundlegend sind. Es sollte daher immer Raum und Zeit für ausgedehnte Spiele geben und das Spielzeug auch mal ein paar Tage stehen bleiben dürfen.
Statt das Kind nur von einem Kurs zum nächsten zu chauffieren, ist es außerdem ratsam, selbst mehr Zeit mit dem Kind zu verbringen. Einen gemeinsamen Ausflug in den Wald, bei dem für Entspannung und Bewegung gleichermaßen gesorgt ist, kann kein Kurs der Welt ersetzen. Und statt angeblich gefragtes Spezialwissen einzutrichtern, ist es sinnvoller, das Kind durch die Vermittlung von Werten und der Stärkung seines Selbstbewusstseins dazu zu befähigen, sich später mutig selbst in der Welt zu behaupten. Ein Kind, das gelernt hat, mit Niederlagen umzugehen, das weiß, wie es effektiv lernt, welche Talente es hat und dass es auch abseits von Leistungen geliebt wird, hat die besten Aussichten, später ein glückliches und erfolgreiches Leben zu führen. Den Chinesisch-Kurs wird es dann - falls erforderlich - mit links absolvieren.